Kapazitätsmarkt in DE nicht nötig?

Als Ende Juli 2014 das BMWi drei vergleichende Studien zu Konzepten für einen Kapazitätsmarkt im deutschen Stromsektor zur Diskussion stellte, war ich über die ausbleibende Medienreaktion erstaunt, da ich das Ergebnis doch überraschend fand: die  wesentliche Nachricht der Studien ist, dass der sogenannte Energy Only Market (EOM) nicht nur für die Versorgungssicherheit sondern auch nach anderen Kriterien ausreichend ist, vorausgesetzt dass er ein wenig reformiert wird.

 Mittlerweile weiß ich, dass die Ergebnisse bei den betroffenen Interessengruppen schon vorher bekannt waren. Möglicherweise haben es die Verbände, deren Vorschläge nur den  zweiten oder dritten Platz in der Beurteilung in der zentralen Studie „Folgenabschätzung Kapazitätsmechanismen (Impact Assessment)“ von Frontier Economics und Consentec belegt haben, vorgezogen, den „Ball flachzuhalten“ und die Journalisten nicht mit aufgeregten Pressemitteilungen und  -konferenzen zu versorgen.   Auch von Seiten  des Öko-Instituts, dessen Vorschlag auf dem letzten Platz landete, gab es nach meiner Wahrnehmung keine öffentliche Kritik, die dann von Umwelt-  oder Erneuerbare-Energien-Verbänden aufgegriffen worden wäre.  Alle Seiten scheinen zu denken, dass auch eine offizialisierte vergleichende Studie aller relevanten Vorschläge eine politische Entscheidung nicht vorwegnimmt.

 So können die Journalisten nicht auf Pressemitteilungen und Stellungnahmen zurückgreifen. Vielleicht haben sie deswegen von einer umgehenden aktuellen Berichterstattung abgesehen.  Nun sind die Studien auch eine harte Kost selbst für den fachlich vorgebildeten Leser, was zu der Flaute beigetragen haben mag, wie auch die Tatsache, dass die Studien von Consulting-Unternehmen und nicht von Instituten angefertigt wurden, die der einen oder anderen Interessen-Seite zugerechnet werden.. So kann man nicht gleich von den Autoren auf  eine Tendenz bei den Inhalten schließen.  Das macht neugierig und drängt auf Einschätzung in der Sache. Wie kommen die Gutachter zu den Ergebnissen? Sind die Methoden, im Wesentlichen das Modell tragfähig?

 Zentrales methodisches Element ist ein sehr komplexes Investitions- und Einsatzoptimierungsmodell. Mir fällt  bei der beeindruckenden Modell- Architektur und bei all den Detail-Ergebnissen auf, dass die Zielfunktion eine klassische Kostenminimierung unterstellt. Das löst  umgehend was die Frage aus,  ob das Modell das Investitionsverhalten der  konventionellen Stromerzeuger zutreffend erfasst. Da für die Stromerzeugung aus Erneuerbaren und im Ausland exogen Szenarien gesetzt werden, sind die jeweilige Erzeugung aus Braun- und  Steinkohle, Erdgas und sonstigen fossilen die vom Modell optimierten Variablen.

 Nach welchen Kriterien entscheiden die Stromerzeuger tatsächlich? Wie berücksichtigen sie die wirtschaftlichen Risiken, dass die hohen Ungewissheiten gerade auch in den Preisentwicklungen des EOM nicht zu ihren Gunsten ausgehen? Werden sie darauf vertrauen, dass die Politik auch bei hohen Preisaufschlägen den EOM gewähren lässt? Werden Sie vorsichtiger in Anlagen investieren, die sich bei geringerer Benutzungsdauer nur über sehr hohe Spitzenlastpreise tragen? Ich kann nicht erkennen, dass diese Risiko-Abwägungen  der Handelnden und andere Aspekte das Entscheidungsverhaltens im Modell berücksichtigt sind. Hier wünscht man sich behavioral economics- und spieltheoretische Ansätze. (Ich weiß, ich habe leicht reden: das würde ein noch einmal weit komplexeres  Modell erfordern).  

 Zu  dem Ergebnis hat sicher auch geführt, dass die Autoren in der Beurteilung, die nicht modellgestützt sind,  eine klare Präferenz für Wettbewerb haben und „Eingriffe“ ablehnen. Sie ziehen Lösungen mit sektoralen und weniger Zieldimensionen vor gegenüber Lösungen mit multidimensionalen Zielsetzungen. Das entspricht der klassischen Sektoralen Wirtschaftspolitik-Schule: Sozial-, innovations- und regionalpolitische Ziele sollen eher aus der Energie-Sektor-Politik herausgehalten werden.

Bei dieser Methodik und dieser sektorpolitischen Ausrichtung ist es kein Wunder, dass die Vorschläge des Öko-Instituts auf dem letzten Platz und der verbesserte EOM auf dem ersten landen.  Das soll man bei der Beurteilung dieser Ergebnisse und der weiteren vom BMWi gewünschten Diskussion im Hinterkopf behalten.

 

 

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